JAHRESKREIS
26. WOCHE - MONTAG
22
der
schmerz: keine erklärung, aber einen sinn
Ijob, der
leidende Gerechte.
Sinn des Leidens, vom Kreuz her betrachten.
Das Kreuz Christi mittragen.
I. In
einem der zweijährlich wechselnden Lesezyklen hören wir in dieser Woche Worte
aus dem Buch Ijob. Der uralte Text bleibt heute so aktuell wie zu der Zeit
seiner Enstehung, denn das Leid ist - damals wie heute - nicht nur eine stets
präsente Wirklichkeit im Leben des Menschen, sondern auch eine Herausforderung
an ihn und seinen Glauben.
Ijob war
untadelig
und rechtschaffen; er fürchtete Gott und mied das Böse.
Er war reich an Gütern und mit einer großen Familie gesegnet. Nach damaliger
Vorstellung gab es einen engen Zusammenhang zwischen Tugend und Reichtum: alles,
was dem Menschen an äußeren Schicksalen begegnete, war Gottes Vergeltung: das
Glück göttlicher Lohn und Segen, das Unheil Strafe. Im Falle Ijobs trägt diese
Vorstellung nicht, denn er - der Gerechte - wird von schrecklichen
Schicksalsschlägen heimgesucht. Es zeigt sich, daß das gerechte Walten Gottes im
Schicksal der Menschen ein Geheimnis ist, das sich unserem Verstehen letztlich
entzieht. Gleichzeitig gewahren wir in Ijobs Frömmigkeit eine beispielhafte
Tiefe. Sie bewährt sich zur Zeit des Verhängnisses. Der Satan irrt, wenn er -
durch die literarische Fiktion eines Streitgespräches mit Gott eingeführt -
behauptet:
Geschieht
es ohne Grund, daß Ijob Gott fürchtet? Bist du es nicht der ihn, sein Haus und
all das seine ringsum beschützt? (...) Aber streck nur deine Hand gegen ihn aus,
und rühre an all das, was sein ist, wahrhaftig, er wird dir ins Angesicht
fluchen.
Ijob jedoch bleibt mitten im Verhängnis ganz dem Willen Gottes ergeben:
Nackt kam
ich hervor aus dem Schoß meiner Mutter; nackt kehre ich dahin zurück. Der Herr
hat gegeben, der Herr hat genommen; gelobt sei der Name des Herrn.
Auch eine neue, noch schrecklichere Prüfung erschüttert seinen Glauben nicht:
als er
von
bösartigem Geschwür von der Fußsohle bis zum Scheitel
heimgesucht wird, antwortet er schlicht auf die Vorwürfe seiner Frau:
Nehmen wir das Gute an von Gott, sollen wir da nicht auch das Böse annehmen?4
Das Buch
Ijob gehört zu den Büchern der Lehrweisheit des Alten Testaments. Es ist aber
keine bloß theoretische Abrechnung mit einer unbefriedigenden Antwort auf die
Frage nach dem Leiden. Es stellt uns vor konkrete Fragen. Wie reagieren wir,
wenn Leiden, Schmerz oder Unglück uns oder uns nahestehende Menschen treffen?
Gott ist immer der liebende Vater, sein Walten enthält immer Segen für uns.
Verstehen wir es, dankbar zu bleiben - im Glück wie im Unglück, in der Fülle wie
in der Not?
II. Drei
Freunde Ijobs kommen von weither, um ihm ihre Anteilnahme zu bezeugen und ihn zu
trösten. Als sie aber vor ihm stehen und seine erbärmliche Lage sehen, schließen
sie daraus, Gott müsse den Leidenden wegen seiner Schuld verflucht haben. Denn
Wohlstand sei ja der Tugend Lohn, Not der Laster Strafe. Der glatte
Erklärungsversuch der Freunde steigert noch die Not des Leidenden. Innerlich
zerrissen, ringt er mit sich selbst und mit der drohenden Hoffnungslosigkeit. Er
ist sich keiner Schuld bewußt, er vergegenwärtigt sich die kleinen Verfehlungen
in seinem Leben, die nichts anderes sind als Ausdruck menschlicher Schwäche und
unmöglich von Gott mit solcher Härte bestraft werden können. Und er
vergegenwärtigt sich ebenso all das Gute, das er getan hat. Seine innere
Zerrissenheit bricht sich in tausend Klagen Bahn. Wie kann der gerechte Gott so
ungerecht in seinem Handeln erscheinen? Diese Frage quält ihn noch mächtiger als
das Unglück selbst, das über ihn hereingebrochen ist. Die Erklärungen seiner
Freunde sind ihm zu flach.
Wir alle
erleben solch inneren Zwiespalt, wenn Kinder leiden oder ein guter Mensch in
eine ausweglose Situation gerät, während Gewissenlose Erfolge feiern und Frevler
ungestraft bleiben. Wo bleibt da der gute, gerechte Gott? Ist nicht alles
sinnlos, die Welt absurd?
Nur im
Lichte des Glaubens weitet sich der Blick. Im Buch Ijob »stellt die Offenbarung,
das Wort Gottes selbst, mit allem Freimut das Problem vom Leiden des
unschuldigen Menschen: vom Leiden ohne Schuld. Ijob ist nicht bestraft worden;
es gab keinen Grund, ihm eine Strafe aufzuerlegen, wenn er auch einer überaus
harten Prüfung unterworfen wurde.«5 Diese Prüfung wird sein Gottvertrauen
festigen. Tugend ist kein Tauschgeschäft für Wohlergehen, sondern Antwort auf
die Liebe Gottes.
Das Buch
Ijob ist in der Offenbarung nicht das letzte Wort zum Thema Leiden, es ist ein
Fingerzeig, der auf Kommendes hinweist: »Es ist in gewisser Weise eine Andeutung
der Passion Christi«, sagt Johannes Paul II.6: Denn Gott hat die Welt so sehr
geliebt, daß er seinen einzigen Sohn hingab, damit jeder, der an ihn glaubt,
nicht zugrunde geht, sondern das ewige Leben hat.7 Das Leiden des Sohnes ist der
größte Erweis der Liebe des Vaters. Dennoch bleibt das Geheimnis, der Verstand
erhält keine befriedigende Antwort, aber wir entdecken einen Sinn im Leiden und
den Weg, der es zur Bereicherung werden läßt.
Denn, so
sagt der Papst weiter, »mit der Passion Christi ist jedes menschliche Leiden in
eine neue Situation eingetreten. Ijob hat sie gleichsam vorausgeahnt, als er
sagte: >Doch ich, ich weiß: mein Erlöser lebt< (Ijob
19,25), und in einer solchen Perspektive sein eigenes Leiden gesehen, das ihm
ohne die Erlösung seine volle Bedeutung nicht hätte enthüllen können. Im Kreuz
Christi hat sich nicht nur die Erlösung durch das Leiden erfüllt, sondern das
menschliche Leiden selbst ist dabei zugleich erlöst worden. Christus hat - frei
von jeder eigenen Schuld - >das ganze Übel der Sünde< auf sich genommen.«8
Von nun
an kann der leidende Mensch auf Christus schauen und seinen Prüfungen jenen Sinn
geben, den sie durch das Leiden unseres Herrn erhalten haben: Erlösung.
»Darin
besteht die große Revolution des Christentums: den Schmerz zu verwandeln in ein
Leiden, das Frucht bringt, das Böse zu verwandeln in Gutes ... Damit haben wir
dem Teufel die stärkste Waffe entwunden - und mit ihr erobern wir die
Ewigkeit.«9
III. Das
Leiden ist unser steter Begleiter: sei es als gegenwärtige Bedrückung, sei es
als beängstigendes Omen. Es hinterläßt immer Spuren, niemals geht es folgenlos
an uns vorüber. Es kann das Feuer sein, das die Seele läutert, oder der
verheerende Brand, der den Geist aushöhlt; es kann uns helfen, die irdischen
Güter zu relativieren, oder es kann uns in Verzweiflung stürzen; es kann die
Seele mit dem göttlichen Willen enger vereinen oder sie von Gott entfernen.
Als
Christen sehen wir im Leiden ein Mittragen des Kreuzes Christi. Simon von Zyrene
trug das Kreuz wohl nur widerwillig.
Aus dem Evangelium wissen wir, daß später seine Söhne in der Urgemeinde
angesehene Christen waren;
und es liegt nahe anzunehmen, daß alles durch die Begegnung ihres Vaters mit dem
kreuztragenden Erlöser begann. Mag sein, daß sich sein Blick zunehmend auf den
Kreuztragenden richtete. Darum soll es auch uns zu tun sein. Wenn wir weniger
auf das Kreuz und mehr auf die Liebe achten, entdecken wir im Kreuz Christi den
Sinn unseres Leidens. Es wird dann zu einem mit Christus gemeinsam getragenen
Kreuz. Und wir ahnen, was der Apostel Paulus meinte, als er an die Kolosser
schrieb:
Für den Leib Christi, die Kirche, ergänze ich in meinem irdischen Leben das, was
an den Leiden Christi noch fehlt.
Christus hat alles für uns getan, nur eines wollte er uns selbst überlassen: das
eigene Ja zu seinem Kreuz. Aus diesem Ja erwächst die neue Sicht, die Paulus von
Freude im Leid sprechen läßt:
Jetzt
freue ich mich in den Leiden, die ich für euch ertrage13
Vielleicht haben wir einmal mitten im Leiden, wenn der Tod uns einen geliebten
Menschen nimmt, solche Freude erfahren: nicht Freude am Leid, sondern die Freude
zu entdecken, daß wir viel gelitten und geweint haben, weil unsere Liebe sehr
groß war. Es käme uns wie Verrat an der Liebe vor, würden wir dann sagen: Herr,
erspare mir dieses Leid. Wir sind dankbar für das Leid, für die Erschütterung,
für die Tränen. Wir staunen vielleicht, daß wir so stark sind, und ahnen: dies
hat mit der Nähe zum Kreuz zu tun.
Es ist
dann leichter, sich die Schmerzhafte Mutter vorzustellen: »Bewundere den
Starkmut der Jungfrau Maria: am Fuß des Kreuzes, in tiefem Schmerz (es gibt
keinen Schmerz wie den ihren), voller Festigkeit. Bitte sie um diesen Starkmut,
damit du lernst, unter dem Kreuz auszuhalten.«14
1,1. -
1,9-11. -
1,21. -
2,10. -
Johannes Paul II., Apost. Schreiben Salvifici doloris, 11.2.1984,
11. -
ebd. -
3,16. -
Johannes Paul II., Apost. Schreiben Salvifici doloris, 11.2.1984,
19. -
J.Escrivá,
Die Spur
des Sämanns,
Nr.887. -
vgl.
27,32. -
vgl.
15,21. -
1,24. -
ebd. -
J.Escrivá,
,
Nr.508.