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Francisco Fernández-Carvajal Hablar con Dios

JAHRESKREIS
2. WOCHE - FREITAG

14

zur heiligkeit berufen

Die Auswahl der Zwölf.

Auch wir sind berufen und auserwählt.

Alle sind zur Heiligkeit berufen.

 

In jener Zeit stieg Jesus auf einen Berg und rief die zu sich, die er erwählt hatte, und sie kamen zu ihm. Das heutige Evangelium1 berichtet über das entscheidende Ereignis der Apostelwahl. Der Bericht klingt feierlich, bestimmt, von Wort zu Wort eindringlicher: Jesus ruft Menschen zu sich, Menschen, die er vorher erwählt hatte; und diese Menschen kamen zu ihm. Und Jesus setzte sie ein, weil er sie bei sich haben und aussenden wollte. Wie einen Schlußakkord hören wir dann die Namen der Zwölf. Sie waren schon einige Zeit im großen Kreis der Jünger bei ihm gewesen. Von einigen - Andreas, Johannes, Simon, Philippus, Natanael... - kennen wir sogar die genauen Umstände ihrer ersten Begegnung.

Jetzt will der Herr, daß sie ihm noch näher sind. Ihre Erwählung hat - wie jede Berufung - persönlichen Charakter, aber auch eine institutionelle Dimension. Der griechische Ausdruck er setzte ein ist »ein Verb, das im griechischen Text der Septuaginta auch für das Werk der Schöpfung verwendet wird; für dieses benützt der jüdische Originaltext das Wort >bara<, für das es im Griechischen kein genau entsprechendes gibt; >bara< bedeutet das, was nur Gott selbst >tut<, indem er aus dem Nichts erschafft.«2 Der griechische Ausdruck spricht also »von einer entscheidenden Handlung Christi, die eine neue Wirklichkeit geschaffen hat. Die Funktionen, die Aufgaben, die die Zwölf erhalten, sind eine Folge dessen, was sie kraft der Einsetzung durch Christus (er setzte ein = er tat) geworden sind.«3

Mit dieser Tat errichtet der Herr die Grundstruktur seiner Kirche. Die Zwölfzahl der Erwählten ist nicht zufällig oder willkürlich, sie entspricht der Zwölfzahl der Stämme Israels. »Ebenso wie die Patriarchen, Jakobs Söhne, für das ganze Volk die ehrwürdigen Ahnherren waren, auf die jeder Stamm stolz war - der gemeinsame Ursprung war die Grundlage des Zusammenhalts der Stämme -, so sollten die Zwölf die Väter des neuen Israels sein, das Jesus schaffen wollte.«4 Aber die Nachkommenschaft des neuen Volkes Gottes wird nicht - wie im alten Israel - eine Nachkommenschaft dem Fleische nach sein; sie wird die Grenzen der natürlichen Volkszugehörigkeit sprengen und sich allen Völkern öffnen.

= 4 Aber die Nachkommenschaft des neuen Volkes Gottes wird nicht - wie im alten Israel - eine Nachkommenschaft dem Fleische nach sein; sie wird die Grenzen der natürlichen Volkszugehörigkeit sprengen und sich allen Völkern öffnen.Die zwölf Apostel »repräsentieren dieses neue endzeitliche Gottesvolk. Und sie versinnbilden es nicht bloß durch ihre Zwölfzahl, sie sind es auch, insofern sie seine ersten Glieder sind. Ihre Auswahl erfolgt demnach nicht bloß im Hinblick auf ihre spätere Aussendung als Glaubensboten, sie ist auch und ist vor allem der erste Schritt zur Kirchengründung.«5 Lukas unterstreicht die Bedeutung des Augenblicks, indem er - Markus ergänzend - schreibt, der Herr habe die ganze Nacht davor im Gebet verharrt.6 Das wundert uns nicht - aber diesmal können wir uns in sein Gebet gleichsam hineinversetzen. Er wird sich w= 5 Lukas unterstreicht die Bedeutung des Augenblicks, indem er - Markus ergänzend - schreibt, der Herr habe die ganze Nacht davor im Gebet verharrt.6 Das wundert uns nicht - aber diesmal können wir uns in sein Gebet gleichsam hineinversetzen. Er wird sich ohl mit dem Vater über das, was am nächsten Morgen geschehen soll, beraten, die Zwölf namentlich mit ihm durchgesprochen haben - auch, welch geheimnisvolles Geschehen, den Verräter.

Der Herr rief also die zu sich, die er erwählt hatte. Nicht weil sie weiser, klüger, gebildeter gewesen wären als andere. Berufung ist weder Anerkennung für persönliche Vorzüge noch Lohn für erbrachte Leistungen - sie ist immer Geschenk. Der heilige Paulus verdeutlicht dies, wenn er schreibt: mit einem heiligen Ruf hat er uns gerufen, nicht aufgrund unserer Werke, sondern aus eigenem Entschluß und aus Gnade, die uns schon vor ewigen Zeiten in Christus Jesus geschenkt wurde7.

Durch Jesus Christus berufen: Die Auserwählung der Zwölf steht am Anfang der Reihe von Nachfolgern im Apostelamt, durch welche die Bischöfe unserer Zeit mit Christus verbunden sind.

 

Er rief die zu sich, die er erwählt hatte. Unsere Betrachtung über die Auserwählung der Apostel soll zum betenden Nachdenken über unsere eigene Berufung werden. Es stimmt, daß die Stelle des heutigen Evangeliums sich auf die Einsetzung des Amtes und somit auf den besonderen Status der Zwölf bezieht; dennoch ist jede Berufung zur Nachfolge eine Auserwählung, »ein von Ewigkeit her zugedachtes und erteiltes Geschenk Gottes an den Menschen. Gott will für diesen konkreten Menschen einen bestimmten Weg des Warum und Wozu seines Lebens im Geflecht der geschichtlichen Ereignisse und Erfahrungen, die im Licht der Gnade gerade als Zeichen erkannt werden.«8

Warum wurden gerade jene Zwölf und nicht andere auserwählt? Wir wissen es nicht. Drängender aber ist eine andere Frage: Warum gerade ich? Lebt es sich ohne »Gebote und Verbote« nicht freier, entspannter, sorgloser? Vielleicht, wenn es nicht Gott wäre, der sie uns einzig und allein zu unserem Heile - gegeben hat. Wer sie einmal akzeptiert hat, gerade der lebt freier, entspannter, glücklicher.

= nicht freier, entspannter, sorgloser? Vielleicht, wenn es nicht Gott wäre, der sie uns - einzig und allein zu unserem Heile - gegeben hat. Wer sie einmal akzeptiert hat, gerade der lebt freier, entspannter, glücklicher.Gott ruft immer wieder Menschen in seinen Dienst, deren persönliche Qualitäten in keinem Verhältnis zu dem stehen, was sie mit seiner Hilfe dann tun sollen. Vielleicht haben wir es selbst irgendwann einmal auch so empfunden. Wir entdecken den Ruf - und vor diesem Hintergrund türmen sich unsere eigenen Sünden, Schwächen und Armseligkeiten bedrückend auf. Dies darf uns weder wundern noch entmutigen. Es stimmt, daß der mit der Berufung erhaltene Auftrag unsere Fähigkeiten übersteigt - aber vergessen wir nicht, daß Gott den Berufenen auch die nötige Kraft zur Nachfolge gibt. »Wenn es auch eine Gnade ist, ihm anzugehören, so ist es doch eine Gnade, die er niemandem versagt, der bereit ist, sie anzunehmen.«9

Die Gnade der Berufung begann mit der Taufe in uns zu wirken. »Gleich wie auch immer die persönliche Geschichte eines Menschen verläuft oder verlaufen sein mag, Berufung und Antwort ereignen sich sakramental in der Taufe. Von da ab wurzeln sie als reale Wirklichkeit im Herzen des Menschen und entfalten sich in den verschiedensten Umständen des Lebens. Der Ruf Gottes kann an den Menschen in einem Augenblick verbunden mit erlebbaren Ereignissen ergehen und den Menschen in einer räumlich und zeitlich begrenzten Situation zur Entscheidung auffordern; oder er kann sich allmählich im schlichten Reifen des Lebens und unter ganz gewöhnlichen Vorkommnissen hörbar machen. Gottes Wort kann wie der Sturm daherbrausen oder im leichten Säuseln des Windes raunen.«10

Jene Zwölf waren schon einige Zeit bei Jesus, als er sie berief. An jenem Tag begann für sie ein neues Leben in der Nähe des Herrn. Auch wenn sie nicht wußten, wie es weitergehen würde, eins wußten sie: sie wollten ihm treu bleiben und dennoch - welch unergründliches Geheimnis -, einer von ihnen wurde untreu.

 

Bleibt in mir, dann bleibe ich in euch11, war die Aufforderung des Herrn beim Letzten Abendmahl. Damit gibt der Herr eine Art Definition der Heiligkeit: In ihm bleiben, Umgang mit ihm in den Sakramenten und im Gebet pflegen und so fähig werden, als seine Gesandten Zeugnis von ihm zu geben.

Paulus nennt die ersten Christen die berufenen Heiligen12. Er konkretisiert mit diesen Worten die Lehre, daß »alle Christgläubigen jeglichen Standes oder Ranges zur Fülle des christlichen Lebens und zur vollkommenen Liebe berufen sind. Durch diese Heiligkeit wird auch in der irdischen Gesellschaft eine menschlichere Weise zu leben gefördert.«13 Die Entdeckung der eigenen Berufung zur Heiligkeit ist die entscheidende Einsicht im Leben eines Menschen. Wenn es trotzdem Christen gibt, die oberflächlich und ziellos leben, dann weil ihnen das Bewußtsein der Berufung fehlt.

Das, was mit der Taufe begann, erhält nach und nach faßbare Gestalt: als konkrete Lebenssituation, durch den Beruf, die Freunde, durch Neigungen und Fähigkeiten. Der beglückenden Entdeckung am Anfang folgt die Zeit bewußter Treue, wohlwissend, daß Gott immer alle Gnade schenkt, um beharrlich zu bleiben. Das heißt auch Kampf gegen die Versuchung, das einmal gegebene Ja zurückzunehmen, für die Ermüdung im asketischen Kampf, Ausbleiben von »Erfolgen« oder laues Beten der Grund sein können. Aber es wächst auch die innere Klarheit und mit ihr ein stetiger Dank, wenn wir uns nicht entmutigen lassen und die Treue Tag für Tag verwirklichen.

Sich heiligen... Gott nimmt uns so, wie wir sind, er nimmt unsere Erbärmlichkeiten an, er vergibt uns unsere Sünden, er schenkt uns immer wieder seine Gnade. Aber er will keine bequeme Kompromisse, halbherzige Zugeständnisse oder taktische Überlegungen, sondern das ernsthafte Bemühen, ihn zu lieben. Ein konsequent christliches Leben erfordert den Heroismus der Tugenden und bewährt sich besonders in den Umständen, in denen ein frivoler Lebensstil vom christlichen Ideal abweicht.

festhalten, was wir erreicht haben14, erneuern und bejahen wir es immer wieder, besonders dann, wenn der Weg mühsam wird. Dann gilt es, den asketischen Kampf gezielter zu führen, indem man etwa die Gewissenserforschung in bestimmten Punkten konkretisiert. So wächst die Liebe auch inmitten scheinbarer Dürre. Der heilige Paulus ermuntert uns, den asketischen Kampf um das Heiligwerden immer freudig und von Hoffnung getragen zu führen, wie in einem sportlichen Wettbewerb: Ich vergesse, was hinter mir liegt, und strecke mich nach dem aus, was vor mir liegt. Das Ziel vor Augen jage ich nach dem Siegespreis: der himmlischen Berufung, die Gott uns in Christus Jesus schenkt.15 Aber sicher vergaß der Apostel nicht alles, was hinter ihm lag. Er vergaß jenes überwältigende Erlebnis auf dem Weg nach Damaskus nicht, als er erfuhr, daß Christus lebte und ihn rief.

 

Mk 3,13-19. - 2 Johannes Paul II., Ansprache 22.6.1988. - 3 ebd. - 4 M.-J. Lagrange, Das Evangelium von Jesus Christus, Heidelberg 1949, S.152. - 5 Regensburger Neues Testament, Bd.2, Regensburg 1958, S.76. - 6 vgl. Lk 6,12. - 7 2 Tim 1,9. - 8 P. Rodriguez, Die Welt als sittliche Aufgabe, in: Die Person im Anspruch sittlicher Normen, St. Augustin 1981, S.94. - 9 Franz von Sales, Über die Gottesliebe, 3,4. - 10 P. Rodriguez, a.a.O., S.95. - 11 Joh 15,4. - 12 Röm 1,7. - 13 II. Vat. Konz., Konst. Lumen gentium, 40. - 14 Phil 3,16. - 15 Phil 3,13-14.

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