Jahreskreis
19. Sonntag (Lesejahr C)
3
glauben
und hoffen
Die
Gründe unserer Zuversicht.
Wachsam und bereit.
Gott in allen Dingen nahe sein.
I.
Die Nacht der
Befreiung wurde unseren Vätern angekündigt, denn sie sollten zuversichtlich sein
und sicher wissen, welchen eidlichen Zusagen sie vertrauen konnten.1
Der inspirierte Autor des Buches der Weisheit blickt auf die Zeit der
Volkwerdung Israels zurück und auf die Väter, die sich glaubend und hoffend auf
die göttlichen Verheißungen verlassen hatten. Die zweite Lesung2,
dem Hebräerbrief entnommen, erweitert die Perspektive auf das Neue Testament hin
und bekräftigt die Verflechtung von Glaube und Hoffnung. Mehr noch als die Väter
des Alten Bundes können wir
zuversichtlich sein und sicher wissen,
daß die verheißene Befreiung in Erfüllung gehen wird. Denn auf Christus schauend
wissen wir: »Seit er uns seinen Sohn geschenkt hat, der sein Wort ist, hat Gott
uns kein anderes Wort zu geben. Er hat alles zumal in diesem einen Worte
gesprochen (...). Was er ehedem nur stückweise zu den Propheten geredet, das hat
er nunmehr im ganzen gesprochen, indem er uns das Ganze gab, nämlich seinen
Sohn.«3 Der Sohn verheißt uns die endgültige Gemeinschaft mit Gott im Himmel am
Ende unserer Wanderschaft, als Fremde und Gäste auf Erden. Daran..glauben heißt:
Feststehen in dem, was man erhofft, Überzeugtsein von Dingen, die man nicht
sieht4. Auf unsichtbare Weise wurde uns im Glauben eine Wirklichkeit geschenkt,
die wir gleichzeitig noch erhoffen. »Der Glaube, der die feste Überzeugung
einschließt, daß diese unsichtbare Wirklichkeit existiert, ist deshalb der Grund
für unsere Hoffnung, diese Wirklichkeit auch tatsächlich zu erlangen.«5
Der
Glaube an das von Jesus auf eine unübersteigbare Weise geoffenbarte Wort läßt
uns an zwei lebenswichtigen Einsichten mit Gewißheit festhalten: daß Gott uns
für den Himmel bestimmt hat und deshalb alles andere auf dieses höchste Ziel
hingeordnet sein muß; und daß er uns alle notwendigen Mittel schenken will,
damit wir ans Ziel gelangen können. Unser Vertrauen »stützt sich auf drei
Wahrheiten: Gott ist allmächtig, Gott liebt mich über die Maßen, Gott bleibt
seinen Verheißungen treu. Und er, der Gott des Erbarmens, entzündet in mir die
Zuversicht; darum fühle ich mich weder einsam, noch unnütz, noch verlassen,
sondern in den Heilsplan einbezogen, der eines Tages im Paradies mündet.«6
Gott ist
allmächtig...
Die Gestirne im All und die Lebewesen auf Erden, die beängstigenden
Naturgewalten und die subtilen Urgründe der Seele sind ihm unterworfen: »Er ist
der Herr des Alls, dessen Ordnung er festgesetzt hat und das ihm gänzlich
untersteht und gehorcht; er ist der Herr der Geschichte; er lenkt die Herzen und
die Geschehnisse nach seinem Willen.«7 Dieser Wille ist keineswegs Willkür; denn
in Gott »ist Macht und Wesenheit und Wille und Verstand und Weisheit und
Gerechtigkeit dasselbe.«8
Gott
liebt mich über die Maßen...:
»Seine Vaterschaft und seine Macht erhellen sich gegenseitig. Er zeigt ja seine
väterliche Allmacht dadurch, daß er für uns sorgt, daß er uns als seine Kinder
annimmt.«9 Die Liebe einer guten Mutter oder eines guten Vaters gegenüber dem
bedürftigen Kind ist nur ein Bild, ein blasser Abglanz der sich unseren
Vorstellungen entziehenden heilsmächtigen Liebe Gottes, die nur eine Grenze
kennt: die Freiheit zu mißbrauchen, die er uns geschenkt hat.
Gott
bleibt seinen Verheißungen treu...
Auch wenn wir ihm untreu werden oder mit unserer Hingabe zaudern, bleibt uns der
Weg der Rückkehr und der Vergebung offen. Der Vater
lief dem Sohn entgegen, fiel ihm um
den Hals und küßte ihn10,
heißt es im Gleichnis vom verlorenen Sohn. Gottes Langmut erlaubt uns, »die
Unruhe und das schmerzliche Sehnen, die mit dem Verlangen nach der Liebe
verbunden sind«11, neu zu entdecken und uns zu vergewissern, »daß wir das
ersehnte Gut leicht erlangen können, wenn wir nur die Mittel gebrauchen, die er
uns zur Erreichung dieses Zieles bereitgestellt hat«12.
II.
Aufgrund dieses
Glaubens haben die Alten ein ruhmvolles Zeugnis erhalten.
Ausführlich »weist der Autor des Briefes auf das Beispiel der Glaubenden des
Alten Testamentes hin und faßt gleichsam die Beschreibung aus dem Buch Jesus
Sirach (44-50) zusammen, um zu sagen, daß sich alle auf den Unsichtbaren
hinbewegten, weil sie vom Glauben gestützt wurden. Insgesamt siebzehn Beispiele
werden in dem Brief genannt:
Im Glauben lebte Abel... Noach...
Abraham... Mose..., und wir können hinzufügen: Im Glauben lebten
Maria... Josef... Simeon und Anna... Im Glauben lebten die Apostel, die
Märtyrer, die Bekenner, die Jungfrauen und die Bischöfe, die Priester, die
Ordensleute und die Laien aller christlichen Jahrhunderte. Im Glauben ging die
Kirche in den Jahrhunderten und geht heute auf den Unsichtbaren zu unter dem
Wehen und der Führung des Heiligen Geistes.«13
Die Ahnen
aus dem Volk Israel und die Heiligen in der Nachfolge Christi sind unsere
Vorbilder als Bekenner des Glaubens. Aber ebenso sind sie uns Vorbild als
Bekenner der Hoffnung, wie es im Hebräerbrief heißt:
Laßt uns an dem unwandelbaren
Bekenntnis der Hoffnung festhalten, denn er, der die Verheißung gegeben hat, ist
treu.14
»Die Hoffnung ist jene göttliche Tugend, durch die wir uns nach dem Himmelreich
und dem ewigen Leben als unserem Glück sehnen, indem wir auf die Verheißungen
Christi vertrauen und uns nicht auf unsere Kräfte, sondern auf die Gnadenhilfe
des Heiligen Geistes verlassen.«15 Wir hoffen, einmal aus dem status viatoris,
dem Zustand des Auf-dem-Wege-Seins, in den glücksellgen Zustand der vollen
Gemeinschaft mit Gott zu gelangen. Diese Hoffnung verbindet menschliche
Sehnsucht und göttliche Verheißung: sie »= 15 Wir hoffen, einmal aus dem status
viatoris, dem Zustand des Auf-dem-Wege-Seins, in den glückseligen Zustand der
vollen Gemeinschaft mit Gott zu gelangen. Diese Hoffnung verbindet menschliche
Sehnsucht und göttliche Verheißung: sie ruft den Einsatz all unserer Kräfte für
die vollständige Öffnung unseres Seins hervor, für die Entfaltung all seiner
Möglichkeiten«16, aber sie »nimmt ihren Ursprung aus einem eigentlich göttlichen
Sein im Menschen, aus der Gnade«17 und übersteigt damit jedes menschliche
Hoffen. Ein großer fränkischer Theologe der Karolingerzeit, Paschasius Radbert,
faßt dieses Verhältnis von Menschlichem und Göttlichem in einem schönen Bild
zusammen: »Durch die Hand der Hoffnung wird Christus gehalten. Wir halten ihn
und werden gehalten. Aber es ist etwas Größeres, daß wir von Christus gehalten
werden, als daß wir halten. Denn wir können ihn nur solange halten, als wir von
ihm gehalten werden.«18
Vor
diesem Hintergrund lassen sich die Worte des Herrn im heutigen Evangelium19
verstehen, wenn er uns dazu auffordert, die übernatürliche Hoffnung auf den
Himmel mit den natürlichen Tugenden des Bereitseins und der Wachsamkeit zu
festigen. Er sagt:
Legt euren Gürtel nicht ab
- Bereitschaft zum Aufbruch -,
und laßt eure Lampen brennen!
- Wachsamkeit. Dies heißt, sich die übernatürliche Dimension der alltäglichen
Dinge, aber auch den relativen Wert aller irdischen Wirklichkeiten stets vor
Augen zu halten:
Seid wie Menschen, die auf die
Rückkehr ihres Herrn warten, der auf einer Hochzeit ist, und die ihm öffnen,
sobald er kommt und anklopft. Kardinal Newman schildert in einer
Predigt diese Stimmung der Erwartung: »Wißt ihr, wie wir in den Dingen des
irdischen Lebens fühlen, wie wir fühlen, wenn wir einen Freund erwarten? Warten
auf sein Kommen und er säumt? Wißt ihr, wie es ist, wenn man in einer
Gesellschaft weilt, die einem nicht zusagt, wie man dann wünscht, daß die Zeit
vergeht und daß die Stunde schlägt, die einen wieder in Freiheit setzt? Wißt
ihr, was es heißt, in Angst sein, ob etwas eintrifft, das eintreffen kann oder
auch nicht, oder in Ungewißheit sein über ein wichtiges Ereignis, das euer Herz
schneller schlagen läßt, wenn es euch in den Sinn kommt, und dem der erste
Gedanke am Morgen gilt? Wißt ihr, was es heißt, einen Freund in einem fernen
Land zu haben, auf Nachrichten von ihm zu warten und sich Tag für Tag aufs neue
zu fragen, was er jetzt wohl tut und ob er auch wohlauf ist? (...) Auf Christus
harren ist ein Gefühl gleich allen diesen, soweit überhaupt Gefühle dieser Welt
dazu passen, jene einer anderen Welt schattenhaft vorzubilden. Der harret des
Herrn, der ein besorgtes, ein brennendes, ein nimmer ruhendes Verlangen nach ihm
trägt; der wach ist, lebendig ist, weitschauend und unermüdlich, ihn zu suchen,
ihm zu dienen, der nach ihm ausschaut in allem, was sich ereignet.«20
Wenn der
Herr des Hauses wüßte, in welcher Stunde der Dieb kommt, so würde er verhindern,
daß man in sein Haus einbricht. Haltet auch ihr euch bereit!
Da wir »weder Tag noch Stunde wissen, so müssen wir nach der Mahnung des Herrn
standhaft wachen, um am Ende unseres einmaligen Erdenlebens (vgl.
Hebr
9,27) mit ihm zur Hochzeit einzutreten und den Gesegneten zugezählt zu
werden«21.
III. Wie
leben Menschen, die auf die
Rückkehr ihres Herrn warten?
Meister Eckhart erklärt es so: »Wahrlich, solche erwartenden Leute sind wachsam
und üben Umsicht, wo der herkomme, den sie erwarten. Und sie erwarten ihn in
allem, was da ankommt, wie fremd es ihnen auch erscheine, ob er nicht selbst
eben darin sei.
So sollen
wir ganz bewußt in allen Dingen nach unserem Herrn Ausschau halten. Dazu gehört
notwendigerweise Fleiß. Alles muß man sich kosten lassen, alles was man nur mit
Sinnen und Kräften zu leisten vermag. So wird es mit den Leuten recht, und sie
ergreifen Gott in allen Dingen gleich. Sie finden dann Gott in allen Dingen
gleichviel, obwohl ein jedes Werk anders ist... Darum lerne der Mensch seinen
Gott in allen Dingen gegenwärtig zu haben. Er lerne dabei unbehindert zu bleiben
in allen Werken und an allen Orten.«22
Die
Sehnsucht nach Gottes Verheißungen stärkt uns in schwierigen Situationen: »Mein
Sohn, laß dich weder niederdrücken und betrüben durch die Mühseligkeiten, die du
um meinetwillen auf dich genommen hast, noch sollen Trübsale dich immerfort
niederwerfen; es stärke und tröste dich vielmehr meine Verheißung. Ich bin
mächtig genug, dir in jeder Weise und über alles Maß hinaus zu vergelten. Du
wirst dich hier nicht lange abmühen und nicht immer mit Leiden beschwert sein.
Harre nur ein wenig, und du wirst schnell das Ende deiner Plagen sehen. Es kommt
die Stunde, in der jede Mühe und Unruhe aufhört. Geringfügig und kurz ist alles,
was mit der Zeit vorübergeht. Vollende also, was du bis jetzt getan hast.
Arbeite treu in meinem Weinberg. Ich werde dein Lohn sein. Schreibe, lies,
singe, seufze, schweige, bete. Ertrage standhaft die Widerwärtigkeiten; das
ewige Leben ist all dieser und noch größerer Kämpfe wert.«23
Macht
euch Geldbeutel, die nicht zerreißen. Verschafft euch einen Schatz, der nicht
abnimmt, droben im Himmel, wo kein Dieb ihn findet und keine Motte ihn frißt.
Die Wachsamkeit bewährt sich - wie immer - in der Treue zu den kleinen Dingen
des Alltags. Dort können wir uns im Guten festigen und gegen die Versuchung der
Lauheit angehen. Jede kleine Abtötung, aus Liebe zu Gott auf uns genommen,
stärkt uns für den Augenblick, da uns eine größere Herausforderung erwartet.
Kampf also im Kleinen: das pünktliche Aufstehen, das entschlossene Anpacken
einer unangenehmen Arbeit, die Zurückhaltung beim Essen und Trinken, das
Überwinden einer unlauteren Neugier, von Geschwätzigkeit oder Angeberei... Dabei
ist die tägliche Gewissenserforschung eine große Hilfe. »Bedenke, mein Kind, daß
die Bakterien nicht weniger anrichten als die Raubtiere! Ähnlich wie man im
Labor Bakterien züchtet, so züchtest du deine Fehler und Verirrungen: durch
mangelnde Demut, durch mangelnden Gebetsgeist, durch mangelnde Pflichterfüllung,
durch mangelnde Selbsterkenntnis... Von den Infektionsherden geht dann die
Ansteckung auf die Umgebung aus.
Du mußt
täglich - und zwar gründlich - dein Gewissen prüfen und deine Fehler,
Unterlassungen und Sünden wirklich bereuen. Dann fasse konkrete Vorsätze, um
dich zu bessern.«24
Die
Mahnungen des Herrn im heutigen Evangelium enthalten ein zärtliches Wort, mit
dem wir unser Gebet beenden wollen:
Fürchte dich nicht, du kleine Herde!
Aus dem Zusammenhang erkennt man, daß Jesus nicht die Furcht vor den Mächtigen
oder vor irdischen Drangsalen meint, sondern die Furcht, wegen der eigenen
Schwäche und Erbärmlichkeit der göttlichen Verheißungen verlustig zu gehen. Es
geschieht nicht ohne euch - will der Herr sagen -, aber Glaube und Hoffnung
schenken euch die Kraft, damit ihr - immer bereit und wachsam - in dieser Welt
dem Verwirrspiel der Lüge, den Verlockungen des Materiellen und den
Verstrickungen des Bösen widerstehen könnt. Habt also keine Angst:
Denn euer Vater
hat beschlossen, euch das Reich zu geben.
Weish
18,6. -
2
Hebr
11,1-2.8-19. -
3 Johannes vom Kreuz,
Aufstieg zum Berge Karmel, 2,22. -
4
Hebr
11,1. -
5 Johannes Paul II in:
A.Frossard,
Fürchtet euch nicht!,
München 1982, S.85. -
6 Johannes Paul I.,
Ansprache 20.9.1978. -
7
Katechismus der Katholischen Kirche, 269. -
8
Thomas von Aquin,
Summa theologica, I,
q.25, a.5, ad 1. -
9
Katechismus der Katholischen Kirche, 270. -
10
Lk
15,20. -
11 Franz von Sales,
Über
die Gottesliebe, Zürich 1978, S.79. -
12
ebd. -
13 Johannes Paul II.,
Ansprache 8.5.1991. -
14
Hebr
10,23. -
15
Katechismus der Katholischen Kirche, 1817. -
16
J. Ratzinger,
Auf Christus schauen,
Freiburg 1989, S.67. -
17 J. Pieper,
Lieben, Hoffen, Glauben, München 1986 S.204. -
18
ebd., S.211. -
19
Lk
12,32-48. -
20 J.H. Newman,
Predigt über die Wachsamkeit. -
21 II. Vat. Konz.,
Konst.
Lumen gentium, 48. -
22
Meister Eckhart,
Die Gottesgeburt im Seelengrund,
Freiburg 1990, S.47. -
23 Thomas von Kempen,
Nachfolge Christi, 3,4. -
24 J. Escrivá,
Im
Feuer der Schmiede, Nr.481.