GRÜNDONNERSTAG
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DAS
LETZTE ABENDMAHL
Jesus
feiert mit den Aposteln das Letzte Abendmahl.
Einsetzung der Eucharistie und des Priesteramtes.
Das neue Gebot.
I. Der
Gründonnerstag erinnert uns an das Letzte Abendmahl, das Jesus mit den Aposteln
feierte. Der Herr kam mit den Seinen zusammen, um das Paschafest der Juden zu
begehen. Diesmal jedoch erhält die Feier einen besonderen Charakter. Jesus weiß,
daß es sein letztes Paschafest ist, bevor er zum Vater zurückkehrt.
Der
Vorübergang
des Herrn - denn dies bedeutet
- wurde jedes Jahr beim ersten Frühlingsmond gefeiert, am Abend vom 14. auf den
15. Nisan. Ihm schloß sich das siebentägige Fest der ungesäuerten Brote an, der
wichtigste von allen jüdischen Festtagen. Im Mittelpunkt stand das
Pascha-Ostermahl mit dem Genuß des Lammes zum Andenken an die Befreiung aus der
ägyptischen Knechtschaft. Vor dem Essen des Osterlammes sprach der Hausvater die
vorgeschriebenen Segensgebete und gab eine Einführung in den Sinn des Festes,
getreu dem Wort:
Diesen Tag sollt ihr als Gedenktag begehen. Feiert ihn als Fest zur Ehre des
Herrn! Für die kommenden Generationen macht euch diese Feier zur festen Regel!1
Die Feier
erforderte eine gewissenhafte Vorbereitung. Jesus übertrug sie seinen
Lieblingsjüngern, Petrus und Johannes. Sie stellten das Wasser für die
Waschungen bereit,
die Bitterkräuter als Sinnbild der Bitternis der Gefangenschaft, die
ungesäuerten Brote als Erinnerung an den eiligen Aufbruch aus dem Land der
Knechtschaft und Wein. Vor allem brachten sie das Lamm zur Schlachtung zum
Tempel, um es dann zu Hause über dem Feuer zu braten. Wahrscheinlich waren die
beiden Apostel dabei erwartungsvoll gestimmt auf die abendliche Begegnung mit
dem Herrn. Der Gedanke liegt nahe, uns jetzt auf die heilige Messe zu besinnen,
in der das Opfer Christi in der Gestalt des Mahles gegenwärtig wird. Wir können
uns dabei in die Rolle des Petrus und des Johannes versetzen.
Das Mahl
beginnt bei Sonnenuntergang. Der Hausvater - Jesus - spricht die vorgesehenen
Psalmen und Dankgebete. Am Rande erfahren wir von einem Rangstreit unter den
Aposteln und von der Reaktion des Herrn darauf mit einer Geste demütigen
Dienens: er
begann
den Jüngern die Füße zu waschen.
Mit dieser Geste tritt das Eigentliche hervor:
Da er die
Seinen, die in der Welt waren, liebte, erwies er ihnen seine Liebe bis zur
Vollendung
Der Herr »wollte dieser Zusammenkunft eine solche Fülle an Bedeutsamkeit, an
Erinnerung, an zutiefst erschütternden Worten und Gefühlen und an derart neuen
Handlungen und Geboten geben, daß wir mit dem Betrachten und Nachdenken darüber
wohl nie an ein Ende gelangen. Es ist ein Abendmahl des Vermächtnisses; es ist
ein von unendlicher Liebe und unendlicher Traurigkeit erfülltes Abendmahl (
16,6), und es ist zugleich voller geheimnisvoll geoffenbarter göttlicher
Verheißungen und letzter Ausblicke. Schon droht der Tod mit unhörbaren
Vorahnungen von Verrat, von Abkehr und Opfer. Das Gespräch erstirbt sofort, nur
die Worte Jesu fließen dahin in einer ganz neuen, überaus zärtlichen Weise,
zielen auf höchste Vertraulichkeit, schweben gleichsam auf der Schneide zwischen
Leben und Tod.«4
Der
Gründonnerstag bringt uns die lange Rede des Herrn über seine Liebe zu uns
Menschen nahe. Wie erwidern wir seine Liebe - in unseren Begegnungen mit ihm, in
der Verbundenheit mit seiner Kirche, in Buße und Sühne, in der konkreten
Nächstenliebe, in der Vorbereitung auf die Kommunion, in unserem Bemühen, am
Werk der Erlösung mitzuwirken, hungernd und dürstend nach Gerechtigkeit ...
II. Das
Mahl naht sich seinem Ende. Da verläßt der Herr den gewohnten Gang der Feier und
tut etwas ganz ungewöhnliches. »Da sind zunächst diese beiden unergründlichen
Worte, die nun für immer im Zentrum der Kirche, im Zentrum der eucharistischen
Feier stehen, die Worte, von denen wir leben, weil sie Gegenwart des lebendigen
Gottes, Gegenwart Jesu Christi in unserer Mitte sind und so die Welt aufreißen
aus ihrer unerträglichen Langweiligkeit, Gleichmütigkeit, Schwere und Bosheit.
>Dies ist mein Leib, dies ist mein Blut<. Das sind Ausdrücke aus der
Opfersprache Israels, in der die Gaben bezeichnet wurden, die man Gott im Tempel
opferte. Wenn Jesus diese Wörter nimmt, bezeichnet er sich selbst als das
endgültige und wirkliche Opfer, in dem all diese vergeblichen Versuche des Alten
Testaments erfüllt sind. In ihm ist das, was darin immer gewollt war und nie
sein konnte, aufgenommen. Gott will keine Tieropfer; ihm gehört alles. Und er
will keine Menschenopfer, denn er hat den Menschen zum Leben geschaffen. Gott
will Größeres: Er will die Liebe, die den Menschen verwandelt und in der er
gottfähig wird, sich Gott überläßt. Nun erscheinen all die Hekatomben von
Opfern, die im Tempel zu Jerusalem je dargebracht worden waren, und all die
Opfer die ganze Weltgeschichte hindurch, dieses ewig vergebliche Bemühen, mit
Gott gleichzuziehen, überflüssig und doch zugleich sozusagen als Fenster, die
durchschauen lassen auf das Eigentliche; als Anläufe, die jetzt erfüllt sind.
Das, was dort gemeint war: Gabe an Gott, Einheit mit Gott - dies geschieht in
Jesus Christus, in ihm, der Gott nicht
gibt, sondern
und darin uns.«5
Bis dahin
war das Bündnis zwischen Gott und seinem Volk im Osterlamm versinnbildlicht, das
im Tempel geschlachtet und beim Mahl verzehrt wurde. Nunmehr ist das Opferlamm
Christus selbst:
als unser
Paschalamm ist Christus geopfert worden,
schreibt Paulus an die Korinther.
Am folgenden Tag wird er auf dem Kalvarienberg an die Stelle des kultischen
Opferlammes treten und den neuen und endgültigen Bund der Menschen mit Gott
schließen, der die Menschen aus der Knechtschaft von Sünde und ewigem Tod
befreit.
Jesus
gibt sich uns in der Eucharistie hin, um uns in unserer Schwachheit zu stärken,
uns in unserer Einsamkeit beizustehen und uns auf die endgültige Gemeinschaft
mit Gott im Himmel einzustimmen. Er sorgt dafür, daß das Brot des Lebens, das er
jetzt gibt, bis zum Ende der Welt niemals mehr fehlen wird: Er setzt das
Priestertum ein -
Tut dies
zu meinem Gedächtnis
- mit der Vollmacht, das Geheimnis des Glaubens zu feiern
bis er
kommt.
Wenn wir
nach der Abendmahlsmesse die nächtliche Anbetung des Allerheiligsten halten,
wollen wir uns vergegenwärtigen, daß wir vor demselben Jesus knien, der im
Abendmahlssaal von seinen Jüngern Abschied nahm, indem er im Sakrament anwesend
blieb.
III.
Daran
werden alle erkennen, daß ihr meine Jünger seid: wenn ihr einander liebt9
Jesus hat
zu den Aposteln gesagt, daß er fortgehen wird. Er geht fort, um im Haus des
Vaters einen Platz für sie vorzubereiten.
Sie sollen in der Zwischenzeit durch das Band des Glaubens und des Gebetes mit
ihm verbunden bleiben
- und durch das Band der Liebe:
Ein neues Gebot gebe ich euch: Liebt einander! Wie ich euch geliebt habe, so
sollt auch ihr einander lieben.12
Die Art
und Weise, wie wir unseren Mitmenschen begegnen, ist das Zeichen, an dem man uns
als Jünger Jesu erkennt. Darin äußert sich unser Einssein mit Christus. Viele
fragen sich, ob sie Christus lieben, und suchen nach Zeichen dafür: das Zeichen,
das niemals trügt, ist die brüderliche Liebe, und sie ist zugleich das Richtmaß
für die Echtheit unseres Gebetslebens.
Der Herr
kann von einem neuen Gebot sprechen, weil er es ganz neu begründet:
so wie
ich euch geliebt habe.
Die menschlichen Beziehungen werden auf eine neue Grundlage gestellt, denn nun
sehen wir in unserem Nächsten Christus selbst. Das Gebot richtet sich an ein
neues Volk und verlangt ein neues Herz. Und auch in den Niederungen unseres
Alltags erfahren wir das Neue, wenn wir erkennen, wie es sich immer wieder gegen
die Schwerkraft des
alten
Menschen,
gegen die egoistische Abkapselung, behaupten muß.
Während
wir an diesem Gründonnerstag Christus in der Eucharistie anbeten, können wir uns
fragen, ob wir uns um eine freundliche, verständnisvolle und gewinnende Art des
Umgangs mit den anderen bemühen, die zeigt, daß wir Jünger Christi sind.
Manchmal ist es nicht leicht, im Denken, Reden und Tun nach dem Gebot der
Nächstenliebe zu handeln. Es kann schwer sein, getanes Unrecht wiedergutzumachen
oder neidlos die Leistung anderer zu würdigen. Das Ernstnehmen unseres Nächsten
mag sich darin zeigen, daß wir nicht gleichgültig, sondern durch ein Wort oder
eine Geste der Anteilnahme reagieren: das kann ein Lächeln, eine kleine
Gefälligkeit, ein aufmunterndes Wort oder gelegentlich auch eine brüderliche
Zurechtweisung sein. Anteilnahme in den gewöhnlichen Lebensverhältnissen - darum
geht es meistens.
Wir
nähern uns dem Höhepunkt der Passion. Maria ist nahe bei ihrem Sohn - jetzt, in
der Zeit des Schreckens genauso wie damals, im unscheinbaren Alltag. »Die
unermeßliche Liebe Mariens für alle Menschen bewirkt, daß auch in ihr das Wort
des Herrn Wirklichkeit wird:
Eine
größere Liebe hat niemand, als wer sein Leben hingibt für seine Freunde
(
15,13).«13
12,14. -
vgl.
13,5. -
Joh 13,1. -
Paul VI.,
Homilie
am Gründonnerstag,
27.3.1975. -
Joseph Kardinal Ratzinger,
Eucharistie - Mitte der Kirche,
München 1978, S.13. -
5,7. -
22,19;
11,24. -
11,26. -
Fußwaschung,
4.
13,35. -
14,2-3. -
14,12-14. -
Joh 13,34. -
J. Escrivá,
Freunde
Gottes,
287.