JAHRESKREIS
2. WOCHE - DONNERSTAG
13
bildung
und zeugnis im glauben
Gedränge um Jesus. Das
Leiden.
Zeugnis gegen die
Unwissenheit.
Katechese und
Neuevangelisierung.
I. Die Evangelisten berichten immer
wieder vom Gedränge um Jesus: Kranke, die geheilt werden wollen, Neugierige, die
unter dem Eindruck seiner Wunder stehen, Nachdenkliche, die seine Größe ahnen,
aber noch schwanken - und natürlich seine Jünger. Markus gibt eine Art
Sammelbericht:
Jesus zog sich mit seinen Jüngern an den See zurück. Viele Menschen aus Galiläa
folgten ihm. Auch aus Judäa, aus Jerusalem und Idumäa, aus dem Gebiet jenseits
des Jordan und aus der Gegend von Tyrus und Sidon kamen Scharen von Menschen zu
ihm, als sie hörten, was er tat.1
»Es scheint nicht, wie manche meinen,
die Einsamkeit des Seeufers gewesen zu sein, was ihn bewog, dorthin zu gehen.
Dieses >Hinwegziehen< war vielmehr ein bewußtes Abrücken von der Synagoge, und
der freiere Plan am Strande bot sogar einer größeren Menge Raum. Ja, sofort
sehen wir, wie nötig dieser ganz andere Raum für die Predigt Jesu war. Denn
unter den Völkerschaften, die da herbeiströmten zu ihm, waren auch die ersten
Heiden! Heiden aber hätten nie zu ihm gefunden, wenn er in der Enge der
jüdischen Synagoge geblieben wäre.
Ein Bild von schier römischer
Weltweite steht mit einem Male da. Nur drei Namen - Galiläa, Judäa, Jerusalem -
nennen jüdische Gebiete, die anderen vier sind schon halbheidnische, ja wie
Tyrus und Sidon, rein heidnische Gegenden. (...) Das Meer ist darum schon Symbol
für die neue Weite. Die Scheuklappen jüdischer Blickenge werden fallen müssen,
so ungestüm drängt das Evangelium zur ganzen Menschheit. Die große Universalität
des Reiches Christi dämmert herauf, Heidenvölker pochen bereits an seine Tore!.«2
Es sind so viele, daß der Herr den
Jüngern befiehlt, ihm ein Boot bereit zu stellen,
damit er von der Menge nicht erdrückt
werde. Denn er heilte viele, so daß alle, die ein Leiden hatten, sich an ihn
herandrängten, um ihn zu berühren.
Während der drei Jahre seines
öffentlichen Lebens befreite er viele von ihren Leiden, aber er beseitigte nicht
das Leid der Welt. »Wir kennen kein Wort des Herrn, das ihn als Idealisten
zeigte, der meint, er könne das Leiden zum Verschwinden bringen. Er überschwingt
es nicht in Rührung oder Begeisterung, sondern sieht es in seiner ganzen,
schlimmen Wirklichkeit.«3 Er nimmt sich der von Not geplagten
Menschen erbarmend an. Vielleicht erwarteten viele, daß er die Weite seines
Herzens und die Macht seines Wortes vereinen würde, um alles Leid abzuschaffen.
Aber fürJesus geht es nicht darum. »Dazu sieht er das Leid viel zu tief, viel zu
weit drunten in den Wurzeln des Daseins, eins mit Sünde und Gottesfremdheit. Er
sieht es viel zu sehr als die Stelle im Dasein, wo dieses nach Gott hin offen
ist, offen wenigstens sein kann; als Folge der Schuld, zugleich aber auch als
Weg der Läuterung und Rückkehr.«4 Leid und Schmerz sind in seinen
Augen kein absolutes Übel. Am Kreuz werden sie zum Entgelt der Erhörung.
machtvolle Taten und
Wunder
sind Zeichen5;
sie bezeugen, daß der Vater ihn gesandt hat. »Indem er einzelne Menschen von
irdischen Übeln: von Hunger, Unrecht, Krankheit und Tod befreit, setzt Jesus
messianische Zeichen. Er ist jedoch nicht gekommen, um alle Übel auf Erden zu
beheben, sondern um die Menschen aus der schlimmsten Sklaverei, der Sünde, zu
befreien.«6
II. Bevor Jesus in den Himmel
auffährt, gibt er seinen Jüngern den Auftrag:
Geht zu allen Völkern, und macht alle
Menschen zu meinen Jüngern; tauft sie (...), und lehrt sie, alles zu befolgen,
was ich euch geboten habe. Seid gewiß: Ich bin bei euch alle Tage bis zum Ende
der Welt.7
Wer soll
hingehen? Jeder, der ihm folgt, jeder nach seiner Berufung und
seinem Charisma, jeder in seiner Zeit. Die Zeugen Jesu haben - Jahrhundert um
Jahrhundert - diese Lehre gelebt und weitergegeben; und in jeder Epoche hat sie
günstige Chancen und ernste Gefährdungen vorgefunden.
Wir wollen hier nicht in erster Linie
analysieren, sondern beten. Was die heutigen Chancen angeht, fallen uns als
erstes das feinere Empfinden für Gerechtigkeit und Menschenwürde und so viele
beeindruckende zivilisatorische Fortschritte ein, nicht zuletzt die
Errungenschaften der Kommunikation. Aber gerade in diesen Chancen liegen auch
die Gefährdungen. Der atemberaubende Fortschritt in Wissenschaft und Technik
unseres Jahrhunderts erzeugt auch »die Furcht, die besten Schöpfungen des
Menschen könnten diesem entgleiten und sich gegen ihn wenden.«8Weder
Wissenschaft noch Technik liefern Orientierung oder Halt. Viele, vollgestopft
mit Wissen, sehen wir wie Schafe ohne Hirten ziellos umherirren - bereit, alles
Machbare auszuprobieren, dabei ahnungslos in der Lehre des Glaubens. Doch die
Worte des H= 8. Weder Wissenschaft noch Technik liefern Orientierung oder Halt.
Viele, vollgestopft mit Wissen, sehen wir wie Schafe ohne Hirten ziellos
umherirren - bereit, alles Machbare auszuprobieren, dabei ahnungslos in der
Lehre des Glaubens. Doch die Worte des errn sind die Worte des ewigen Lebens.
Das Lehramt der Kirche, das den
Glauben bewahrt und weitergibt, ist für viele nur eine Stimme unter anderen. Man
prüft die Vorzüge oder Nachteile aus der Sicht des augenblicklichen Nutzens,
aber nicht im Hinblick auf die innere Wahrheit des Menschen. Dies ist die große
Not unserer Zeit! Viele wissen nicht, daß Jesus Christus »feststehendes Prinzip
und beständiges Zentrum des Auftrags ist, den Gott selbst dem Menschen
anvertraut hat. An diesem Auftrag müssen wir alle teilnehmen, auf ihn müssen wir
alle unsere Kräfte konzentrieren, da er mehr als je zuvor notwendig ist für die
Menschheit in unserer Zeit.«9 Denn trotz aller Orientierungslosigkeit
machen wir nicht selten die Erfahrung, daß viele bereit sind, die Botschaft
Gottes zu hören, auch wenn sie es nach außen nicht zeigen. Und heute gilt
vielleicht mehr denn je: »Es kommt immer der Augenblick, in dem die Seele nicht
mehr weiterkann, sich mit den üblichen Erklärungen nicht mehr zufrieden gibt und
in den Lügen der falschen Propheten keine Befriedigung mehr findet. Dann hungern
diese Menschen danach, ihre innere Unruhe mit der Lehre des Herrn zu stillen,
auch wenn sie es nicht zugeben.«10
In unseren Händen liegt es, den Schatz der Botschaft Christi
weiterzugeben. Dafür müssen wir diesen Schatz lebendig im Verstand und im Herzen
tragen. Eine unschätzbare Hilfe ist da der Katechismus der katholischen Kirche.
Der Glaube jedes Christen ist Leben -
ein ständiges Empfangen und Weitergeben:
Ich habe vom Herrn empfangen, was ich
euch überliefert habe11,
schreibt Paulus an die Korinther. Christus hat ihn den Aposteln gegeben, diese
ihren Nachfolgern, den Bischöfen. Bonifatius, der »Apostel Deutschlands« und
Baumeister der kirchlichen Organisation in unserem Land unterstreicht die
Verantwortung der Hirten: »Die Kirche fährt über das Meer dieser Welt wie ein
großes Schiff und wird von den Wogen - das sind die Anfechtungen dieses Lebens -
hin und her geworfen. Wir dürfen das Schiff nicht verlassen, wir müssen es
lenken. Als Vorbilder haben wir dafür die frühen Väter (...). Sie haben unter
heidnischen Kaisern das Schiff Christi gesteuert. Sie haben die Kirche geleitet,
sie gelehrt und verteidigt, für sie gearbeitet und gelitten bis zum Vergießen
des Blutes. Diese Überlegungen erschrecken mich (...). Laßt uns auf ihn
vertrauen, der uns die Last aufgelegt hat. Was wir aus eigener Kraft nicht
tragen können, das wollen wir tragen durch ihn (...). Wir wollen nicht stumme
Hunde sein (vgl.
Jes 56,10) und
schweigend zuschauen, nicht Mietlinge, die vor dem Wolf fliehen, sondern eifrige
Hirten: Über die Herde Christi wollen wir wachen und allen Menschen jeden
Ratschluß Gottes verkünden, den Großen und den Kleinen, den Reichen und den
Armen, jedem Stand und jedem Alter, soweit Gott uns Kraft dazu gibt.«12
Geht hin und lehrt war
für die ersten Christen selbstverständlich. »Mission wird ohne sonderlichen
Auftrag allein durch die Kraft des in der Taufe gegründeten Glaubens betrieben
und geht in der Regel von jedem beliebigen Christen aus. Wir treffen auf
Priester, aber die Laien sind in der Mehrzahl. Das Christentum sickert durch, es
breitet sich im Bereich der Familie, der Arbeit und des persönlichen Umgangs
aus. (...) Äußerst zutreffend ist der Begriff >Ansteckung<, den Tacitus und
Plinius benützt haben, um die neue Religion und die Art ihrer Verbreitung zu
charakterisieren: als Flüsterpropaganda von der Gattin zum Gatten, vom Sklaven
zum Herrn wie vom Herrn zum Sklaven, vom Schuster zum Kunden, verborgen in
kleinen Lädchen, wie es die Zeugnisse darstellen, die auf uns gekommen sind.
(...) Erstaunlich an den Christen des 2. Jahrhunderts ist ihre Präsenz im Leben
der Menschen, in den Läden und Werkstätten, in den Lagern und auf den
öffentlichen Plätzen. Sie nehmen am wirtschaftlichen und sozialen Leben teil,
sie sind in den Alltag verwoben und leben wie jedermann.«13
Heute ist die Situation anders, weil
der Glaube nicht mehr als jener unverbrauchte, neue Weg gilt, der damals einen
Suchenden faszinierte, sondern eher als die
überkommene Lehre, die
jeder zu kennen meint. Und doch ist die Unwissenheit groß und die
Oberflächlichkeit weit verbreitet. Das, was für die ersten Christen
Evangelisierung, die Freude, das empfangene Glaubensideal weiterzugeben, war,
muß auch heute für uns Antrieb sein zur Neuevangelisierung, durch eine
Katechese, die spontan und wirksam in der eigenen Familie, unter Freunden,
Arbeitskollegen oder Nachbarn, in der Werkstatt, im Büro, an der Universität
geschieht; Mutter oder Vater mit den eigenen Kindern, und vielleicht auch mit
den Kindern befreundeter Familien; der Student mit einigen Studienkollegen und
vielleicht auch - trotz Prüfungsnöten - mit Kindern in einem wenig einladenden
Vorort. »Das Apostolat, die Katechese - sie müssen, gleich den Blutgefäßen des
menschlichen Körpers, in alle Bereiche der Gesellschaft hinein verzweigt sein.
Jeder einzelne soll erreicht werden.«14
Aber was tun, wenn man versucht, die
Kirche als unglaubwürdig oder unzeitgemäß zu verunglimpfen? »Das Böse im
Überfluß des Guten ersticken! Es genügt weder, nur die Übel anzuprangern, noch,
sich hinter einem Wall von Negationen zu verschanzen. - Vielmehr lebt der Christ
aus dem Ja zum Wahren und Rechten, weil jugendliche Zuversicht, Freude und
Frieden ihn prägen. Er will allen mit Verständnis begegnen: denen, die Christus
nachfolgen, denen, die ihn verlassen haben, und denen, die ihn noch nicht
kennen. Freilich bedeutet Verstehen weder Kapitulation noch Indifferenz, sondern
Tätigwerden.«15 Es ist der Drang, alle mit Christus und seiner
Botschaft vertraut zu machen: Ein Zwang liegt auf mir. Weh mir, wenn ich das
Evangelium nicht verkünde.«16
du Thron der Weisheit, du Helferin
der Christen, Du Königin der Bekenner - bitte für uns!
Mk
3,7-12. -
2 J. Dillersberger,
Markus,
Bd.II, Salzburg 1937, S.31. -
3 R. Guardini,
Der
Herr, Würzburg 1951, S.53. -
4 ebd., S.55. -
5
vgl.
Apg 2,22;
Joh 2,11. -
6
Katechismus der Katholischen Kirche, 549. -
7
Mt
28,19-20. -
8 Johannes Paul II.,
Apost. Schreiben
Catechesi Tradendae,
16.10.1979, 56. -
9 Johannes Paul II.,
Enz.
Redemptor hominis, 11. -
10 ebd. -
11
1 Kor
11,13. -
12 Bonifatius,
Epistola, 78. -
13 A. Hamman,
Die
ersten Christen, Stuttgart 1985, S.72 und 79. -
14
J. Escrivá,
Die Spur des Sämanns,
Nr.943. -
15 J. Escrivá,
Die
Spur des Sämanns, Nr.864. -
16
1 Kor
9,16.