JAHRESKREIS
24. WOCHE - MITTWOCH
6
DIE MACHT
DES WORTES
Gott hat
uns die Kraft des Wortes geschenkt.
Das Gespräch suchen nach der Art Jesu.
Helfende Worte kommen aus innerer Fülle.
I. Der
Herr wird ein Volkslied oder ein Kinderspiel im Sinn gehabt haben, als er auf
die inneren Widersprüche bei manchem seiner Zuhörer anspielte:
Sie sind
wie Kinder, die auf dem Marktplatz sitzen und einander zurufen: Wir haben für
euch auf der Flöte gespielt, und ihr habt nicht getanzt; wir haben Klagelieder
gesungen, und ihr habt nicht geweint.
Denn weder die Predigt des Johannes noch seine eigene Predigt stellt sie
zufrieden:
Johannes
der Täufer ist gekommen, er ißt kein Brot und trinkt keinen Wein, und ihr sagt:
Er ist von einem Dämon besessen. Der Menschensohn ist gekommen, er ißt und
trinkt; darauf sagt ihr: Dieser Fresser und Säufer, dieser Freund der Zöllner
und Sünder!1
Es ist
nur logisch, daß sich die göttliche Weisheit jeweils anders in Johannes und in
Jesus manifestiert. Johannes ebnet durch Buße und Bußpredigt den Weg zur
Erkenntnis des Heilsmysteriums; Jesus - vollkommener Gott und vollkommener
Mensch - ist der Träger dieses Mysteriums des Heiles, der Freude, des Friedens.
Und doch
hat die Weisheit durch alle ihre Kinder recht bekommen,
sagt der Herr abschließend. Denn auch jene, die sich der doppelten Botschaft der
göttlichen Weisheit verschließen, tragen zu den Plänen Gottes bei.
Viele
Pharisäer und Gesetzeslehrer sind blind für das Wunderbare, das vor ihren Augen
geschieht. Ihr Herz verschließt sich dem Guten, sie kritisieren und mißdeuten
nur böswillig die Worte und Taten Christi.
Das
einfache Volk hingegen reagiert anders. Christus muß oft die begeisterte Menge
zurückhalten, weil seine Stunde noch nicht gekommen ist. Als diese kam,
begannen
alle Jünger freudig und mit lauter Stimme Gott zu loben wegen all der
Wundertaten, die sie erlebt hatten. Sie riefen: Gesegnet sei der König, der
kommt im Namen des Herren. Im Himmel Friede und Herrlichkeit in der Höhe!
Als die Pharisäer ihn auffordern, sie zum Schweigen zu bringen, antwortet der
Herr:
Ich sage
euch, wenn sie schweigen, werden die Steine schreien.
Gott hat
uns die Macht des Wortes geschenkt. Mit ihm können wir ihn lobpreisen, aber auch
schmähen und beleidigen. Mit dem Wort können wir andere Menschen ermuntern und
aufrichten, aber auch verleumden und ruinieren. Daher die Mahnung: »Mache es dir
zur Gewohnheit, stets taktvoll über Dinge und Menschen zu sprechen, und ganz
besonders dann, wenn diese Menschen im Dienste Gottes arbeiten.
Wo das
nicht möglich ist - schweige! Denn auch schroffe und allzu ungehemmte
Bemerkungen grenzen bisweilen an üble Nachrede und Diffamierung.«3
II. Der
Herr unterhielt sich gern mit seinen Jüngern. »Jesus hat im Gespräch Freude und
Trost gefunden. Man braucht nur bei Johannes nachzulesen, wie vertraut er beim
Letzten Abendmahl mit den Aposteln gesprochen hat. Jesus hat sehr oft im
Gespräch seine Botschaft weitergegeben. Er sprach, während er auf den Straßen
wanderte und unter den Arkaden des Salomo; er sprach in den Häusern mit den
Menschen, wie mit Maria, die zu seinen Füßen saß, oder wie mit Johannes, der
sein Haupt an seine Brust lehnte.«4 Er spricht mit einfachen Menschen wie der
Samaritanerin, mit Gelehrten wie Nikodemus. Niemals verweigert er das echte
Gespräch, und seine Worte entsprechen stets der konkreten Situation: gewinnend
bei der einfachen Frau, Geheimnisse andeutend gegenüber dem Gelehrten. Auch
darin können wir den Herrn nachahmen, daß wir für den Gesprächspartner immer
offen sind.
Gott hat
dem Menschen das Wort geschenkt, damit er sich durch das Wort mitteilt. Im
Gespräch der Menschen gibt es zunächst die Ebene des Belanglosen, Alltäglichen:
flüchtige Bemerkungen über das Wetter, Höflichkeitsfloskeln, kurzum den weiten
Bereich dessen, was man »Konversation« nennt. Dahinter steht oft das Bedürfnis,
die Kommunikation zu unserem Nächsten zu suchen oder sie zu erleichtern. Das ist
menschlich, wir dürfen es nicht geringschätzen. Auch Geselligkeit und
Höflichkeit sind eine Form, Gutes zu tun.
Jedoch
ist dies nur eine recht äußerliche Verhaltensweise. Auf einer höheren Ebene
findet die echte Mitteilung statt, das berichtende Gespräch, informierend oder
belehrend, im Dialog, als Lehrende oder als Lernende. Dabei spielt Vertrauen
eine große Rolle, wir setzen voraus, daß unser Gesprächspartner das Wort nicht
mißbraucht.
Das
Gespräch findet dort seine tiefste Erfüllung, wo es an die innere Verfaßtheit
eines Menschen rührt. Das ist nicht immer leicht. Ein Wort des Trostes kann -
trotz allen guten Willens - auch einmal fehl am Platz, mitfühlendes Schweigen
dann besser sein. Ein Wort der Belehrung kann - je nach der Situation oder dem
Tonfall - unwirksam bleiben oder dem Unwissenden helfen. Worte können Wege
weisen und Wege versperren, den Irrenden die Augen öffnen oder ihn in seiner
Blindheit belassen, den Schwachen stärken oder ihn mutlos machen, den Gefallenen
aufrichten oder entmutigen. Wir brauchen ein Gespür für das rechte Wort, im
richtigen Moment gesprochen.
III. Das
Wort ist »eines der kostbarsten Geschenke Gottes an die Menschen (...), eine
herrliche Gabe, die es uns möglich macht, mit dem Herrn und seinen Geschöpfen
erhabene Gedanken der Liebe und der Freundschaft auszutauschen.«5 Jedoch können
wir diese Gabe Gottes mißbrauchen, wenn wir sie gedankenlos - geschwätzig - oder
im Widerspruch zur Wahrheit - lügnerisch - oder als Waffe gegen unseren Nächsten
- verleumderisch - einsetzen. Von daher versteht sich die Mahnung des Apostels
Jakobus: Die Zunge ist ein
kleines
Körperglied,
aber
sie kann
auch ein Feuer sein, das einen großen Wald in Brand steckt, und eine Welt voll
Ungerechtigkeit: Mit ihr preisen wir den Herrn und Vater, und mit ihr verfluchen
wir die Menschen, die als Abbild Gottes erschaffen sind. Aus ein und demselben
Mund kommen Segen und Fluch. Meine Brüder, so darf es nicht sein
Von daher verstehen wir auch die ernste Mahnung des Herrn:
Ich sage
euch: Über jedes unnütze Wort, das die Menschen reden, werden sie am Tag des
Gerichts Rechenschaft ablegen müssen.
»Nachdem
ich gesehen habe, worin sich viele Leben ganz und gar erschöpfen (Geschwätz,
Geschwätz, Geschwätz, mit all seinen Folgen), scheint mir das Schweigen noch
notwendiger und liebenswerter.
Ich
verstehe sehr gut, Herr, daß du Rechenschaft für jedes unnütze Wort forderst.«8
Bei der
Hochzeit in Kana
finden wir ein gutes Beispiel für die Macht des Wortes zur rechten Zeit und für
seine Verwurzelung im inneren Schweigen der liebenden Seele. Jesus hatte seiner
Mutter angedeutet, jene prekäre Situation - sie haben keinen Wein mehr - ginge
ihn nichts an. Aber Maria erteilt nun den einzigen Befehl, den wir von ihr
kennen:
Was er
euch sagt, das tut!
Sie errät - jenseits der Worte Jesu - die Pläne ihres Sohnes, wie nur ein
liebender Mensch sie erraten kann.
Unnütze
Worte kommen aus innerer Leere. Sinnvolle Worte aus innerer Fülle. Liebe macht
verborgene Gemeinsamkeiten sichtbar, kaum sagbare Gedanken mitteilbar.
Bitten
wir am Schluß unserer heutigen Betrachtung den Herrn und seine gebenedeite
Mutter um die Gnade, daß unsere Worte im richtigen Augenblick zu trösten, zu
ermuntern, zu beflügeln vermögen. Und wenn wir einmal tadeln müssen, dann so,
daß die Ermutigung den unvermeidbaren Schmerz bald vergessen läßt.
7,31-35. -
19,37-38. -
J.Escrivá,
Die Spur
des Sämanns,
Nr.902. -
Johannes Paul I.,
Ihr
ergebener Albino Luciani,
München 1978, S.225. -
J.Escrivá,
Freunde
Gottes,
298. -
vgl.
3,5-10. -
12,36. -
J.Escrivá,
,
Nr.447. -
2,1-12.